Ralf fragt sich, wieso die Möhren bei seinen landwirtschaftlichen Nachbarn ohne Beregnung keimen und aufgehen, während die Saaten in seinem Garten bei Dürre nicht so recht in Gang kommen wollen. Ich hatte versucht, das in einem kurzen Kommentar zu erklären, aber ich versuche es besser hier noch mal etwas ausführlicher.
Bekanntlich brauchen Samen Wasser, um keimen zu können. Wenn von oben kein Wasser kommt, dann können sie auch nicht keimen. Es sei denn, sie bekommen Wasser von woanders – zum Beispiel von unten. Und das ist genau der Trick, den die Bauern in Ralfs Nachbarschaft anwenden – sie bewässern ihre Saat mit dem Wasser, das der Boden über den Winter gespeichert hat. Der Fachbegriff dafür lautet “Bodenschluss“.
Gesetzten (also optimal verdichteten) Boden kann man mit einem Löschblatt vergleichen. Ähm, wissen eigentlich noch alle Altersgruppen, was ein Löschblatt ist? Im Zweifel gibt die Wikipedia Auskunft.
Gesetzten Boden kann man also mit einem Löschblatt vergleichen. Taucht man so ein Löschblatt in Tinte, dann steigt die Flüssigkeit entgegen der Schwerkraft in dem Löschblatt empor. Diesen Effekt nennt man Kapillarität. Er wird durch die Oberflächenspannung der Flüssigkeit und die Grenzflächenspannung der Flüssigkeit mit der festen Oberfläche hervorgerufen.
Egal, jedenfalls ist ein guter Gartenboden auch so ein Kapillarsystem, in dem Wasser aus dem Unterboden entgegen der Schwerkraft aufsteigen kann. Das funktioniert aber nur, wenn die Poren im Boden den passenden Durchmesser haben. Sind sie zu klein, dann steigt schnell viel Wasser auf und der Boden trocknet aus. Sind sie zu weit, dann gewinnt die Schwerkraft und das Wasser “tropft” in den Unterboden zurück, bevor es das Samenkorn erreicht.
Der Trick mit dem Bodenschluss funktioniert nun so: Der Bauer sorgt schon bei der Bodenbearbeitung und später bei der Saatbettbereitung und Aussaat dafür, dass die Poren in seinem Boden geeignet sind, das Bodenwasser schön langsam und gleichmäßig in Richtung Oberfläche zu transportieren. Das Saatkorn legt er dann in geeigneter Tiefe direkt auf diese stetig fließende Wasserquelle. Zuletzt zerstört er das Kapillarsystem über dem Saatkorn zu gröberen Krümeln, damit nur wenig Wasser weiter an die Oberfläche gelangen und dort ungenutzt verdunsten kann.
Das hört sich zwar alles ziemlich kompliziert an, ist es aber nicht. Moderne Sämaschinen machen das mit erstaunlicher Präzision in einem Arbeitsgang. Leider können wir so eine Sämaschine in unserem Garten nicht einsetzen, weil sie in einem Arbeitsgang alle Beerensträucher entwurzeln würde. Deshalb gehen wir etwa folgendermaßen vor (wir haben hier einen recht leichten Boden):
- Je nachdem, wie weit sich der Boden nach dem Fräsen im Frühjahr schon gesetzt hat, drücken wir die Reihen vor der Aussaat etwas mit dem Rücken einer Harke an
- Dann ziehen wir mit dem Stiel der Harke eine Furche in geeigneter Tiefe. Der Boden in dieser Furche ist nun hoffentlich genügend gesetzt (verdichtet) um kapillaren Anschluss an den Unterboden zu haben
- Dann säen wir das Saatgut in der Furche aus und stampfen es vorsichtig mit dem Rücken der Harke (zum Teil auch mit der Hand) an. Die Samenkörner sollen danach in dem gesetzten Boden liegen und etwas von ihm umschlossen sein. Die Samen haben nun “Bodenschluss”; sie haben also eine kapillare Verbindung zum Wasser in den tieferen Bodenschichten.
- Zuletzt harken wir locker Erde von den Seiten in die Furche. Diese Erde wird nicht mehr angedrückt, damit nicht unnötig Wasser bis an die Oberfläche steigen und dort ungenutzt verdunsten kann.
Bei uns funktioniert das auch ganz gut – trotz der ewigen Trockenheit haben wir zwar oberflächlich extrem trocknene Boden, aber in ca. 2 – 3 cm Tiefe wird’s feucht. Koriander, Möhren und Radieschen gehen gut auf auch ohne Gießen. Aber wir haben in diesem Fall wohl auch das Glück hervorragenden Lössboden zu haben sowie einen Fluss in Spuckweite vom Garten, will sagen genug Uferfiltrat und Grundwasser in 2m Tiefe…
Ich danke dir für diese schöne Darstellung, ich hatte mir noch die Gedanken darüber gemacht, sondern den Zustand als gegeben hingenommen!
Wie gesagt, unsere Vorgehensweise oben gilt vor allem für leichtere (sandige) Böden. Bei schwereren Böden (z.B. auch Löß) muss man mit dem Verdichten natürlich etwas vorsichtiger sein. Neben den Poren die als Kapillaren wirken sollen, braucht der Boden natürlich auch gröbere Poren, die die Wurzeln mit Sauerstoff versorgen können. Je schwerer der Boden ist, desto schwieriger wird es da einen guten Mittelweg zu finden.
Hallo Heiner,
ich würde mich freuen, wenn unser Gartenblog auch beim Misch-Masch-Blog aufgeführt wird, aber ich finde nicht die richtige Stelle zum anmelden. Wo versteckt sie sich?
Viele Grüße Anja
Das passt hier schon ;-)
Soweit ich mich erinnere hatte ich Deinen Feed gerade vor ein paar Tagen geändert, weil die alte Adresse nicht mehr funktionierte. Ich muss mir das nachher mal näher ansehen.