Ich bin ja eher ein konservativer Mensch. Revolutionären Verbesserungen des Gemüseanbaus im Garten stehe ich zum Beispiel manchmal etwas zurückhaltend gegenüber. Deshalb hielt sich meine Begeisterung auch in Grenzen, als ich im vergangenen Herbst zum ersten Mal etwas über die Chinesische Kartoffelkiste las.
In der Chinesischen Kartoffelkiste (und ihren vielen Varianten) werden Kartoffeln angebaut. Das Besondere daran ist, dass die Kiste mit zunehmender Größe der Kartoffelpflanzen mit Gartenerde oder Kompost aufgefüllt wird. Die Kartoffel soll so angeregt werden, vermehrt Knollen auszubilden (Kartoffelknollen sind Metamorphosen der Sprossachse!). Letztlich soll so ein höherer Ertrag erreicht werden.
Bei der “originalen” Chinesischen Kartoffelkiste werden vier Pfähle eingegraben. Immer wenn die heranwachsenden Kartoffeln zwischen den Pfählen eine gewisse Größe erreicht haben, wird von innen eine neue Reihe Bretter gegen die Pfähle gestellt und die Kiste wird mit Kompost oder Gartenerde aufgefüllt. Varianten sind zum Beispiel der Anbau von Kartoffeln in hohen Kübeln (z.B. Mülleimern, Oskar-Tonnen etc.) oder in Autoreifen (die dann mit der Zeit immer höher aufgetürmt und mit Kompost/Gartenerde befüllt werden.
Die Erfolge, die damit angeblich erreicht werden, sind geradezu sensationell. An verschiedenen Stellen (z.B. hier) ist die Rede davon, dass bis zu fünfzig Kilogramm Kartoffeln pro Quadratmeter bei dieser Anbaumethode keine Seltenheit sind. Unglaublich, wie bescheuert wir konservativen mitteleuropäischen Bauern und Gärtner sind. Statt einen Zentner Kartoffeln pro Quadratmeter zu ernten, geben wir uns mit mickrigen 4 Kilogramm zufrieden.
Naja, ich bin zwar ein konservativer Mensch, aber ich bin auch experimentierfreudig. Deshalb hatte ich mir im vergangenen Herbst vorgenommen, die Chinesische Kartoffelkiste mal selbst auszuprobieren. Leider bin ich auch sehr vergesslich – ich habe es im Frühjahr schlichtweg verpennt, den Plan in die Tat umzusetzen. Zum Glück hatten die Leute von der Land & Forst die gleiche Idee. In der Ausgabe 40/2010 berichten sie über die Ergebnisse ihres Versuchs (Erntemenge pro Pflanzkartoffel):
- “Chinesischer Kübel”: 310 Gramm
- Chinesische Kartoffelkiste: 358 Gramm
- Freilandbeet: 576 Gramm
Natürlich kann man aus einem einmaligen Versuch noch keine endgültigen Schlüsse ziehen. Bis auf weiteres muss ich aber wohl davon ausgehen, dass die Chinesische Kartoffelkiste ein Hoax ist. Wenn ich im Frühling dran denke, werde ich den Versuch sicherlich trotzdem selbst mal machen.
Übrigens habe ich bei der Lektüre verschiedener Artikel und Diskussionen zur Chinesischen Kartoffelkiste keinen wirklich plausiblen Grund finden können, der (aus meiner Sicht) einen Mehrertrag rechtfertigen würde. Letztlich folgt der Ertrag jeder Frucht Justus von Liebigs Gesetz vom Minimum. Kurz gesagt wird der Ertrag durch die knappste Ressource begrenzt. Bei Gemüse in einem Gemüsegarten sind Nährstoffe, Wasser, Temperatur etc. gewöhnlich ausreichend vorhanden. Der Ertrag wird dann vor allem durch das Licht begrenzt und das kann auch die tollste Kiste nicht so ohne weiteres vermehren.
Bei Kartoffeln kommt noch dazu, dass die Vegetationszeit durch die Krautfäule begrenzt wird. Meine Befürchtung ist, dass die Kartoffeln in der Chinesischen Kartoffelkiste nie das gesamte einfallende Licht einfangen können, weil die unteren Blätter (und damit wichtige Assimilationsfläche) ständig wieder mit neuem Substrat bedeckt werden. (In wesentlich geringerem Ausmaß gilt das aber auch für das Häufeln der Kartoffeln im Freiland)
Siehe auch:
Weblinks:
- Chinesische Kartoffelkiste – viel Ertrag auf kleiner Fläche möglich
- Chinesische Kartoffelkiste
- Wer kennt die Chinesische Kartoffelkiste?
- Kartoffeln im Fass
Diese Diskussion gabe es auch im Selbstversorgerforum zu genüge.
Ich denke da an die gleichen Ursachen, die du im vorletzten Absatz erwähntst. Photosynthese ist für Pflanzen nunmal der Energiebringer und sobald man die irgendwie behindert, ist das wohl eher schädlich.
Ich habe in einigen Büchern die Empfehlung für Kartoffelfässer gelesen. Da geht es aber meist um betonierte Hinterhöfe. Nach dem Motto: Wenn sie keinen Boden haben, können sie so nach und nach in einem Fass Boden auffüllen und dabei noch Kartoffeln ernten. In einem Buch wurde empfohlen einfach Küchenabfälle oben ins Fass zu werfen und so nach und nach Kompost aufzufüllen.
Was für mich schon vom Prinzip gegen die Kartoffelkiste spricht, ist der Mehraufwand. Ich suche immer Methoden, die weniger Arbeit machen, nicht mehr.
Zudem ist das ganze nicht grade bio- und ökologisch: Mischkultur ist nicht möglich, der Boden wird einmal im Jahr komplett umgeschichtet, damit entsteht dein stabiles Bodenleben, man hat irgendein Gefäß, aus dem Giftstoffe in den Boden gelangen können (alte Autoreifen stapeln? Are you serious?)…
Also ich werde meine Kartoffeln einfach in den Boden stecken, für kräftige Mischkultur sorgen und dann schauen, was dabei raus kommt. Die Effektivität (Aufwand pro Nutzen) düfte deutlich höher sein.
Jo, insbesondere Dein Einwand mit den Giftstoffen, die aus den unterschiedlichen Gefäßen in den Boden gelangen, wird glaube ich allgemein viel zu wenig beachtet. In unserem (inzwischen eingestellten) Forum wurde vor einiger Zeit diese Geschichte mit den Autoreifen ausführlich diskutiert. Ähnliche Bedenken hätte ich aber auch bei behandeltem Holz oder allen möglichen Plastikgefäßen.
Hallo Heiner!
Ich baue jedes Jahr meine Kartoffeln in einem großen Topf an, da ich im Garten leider keinen Platz dafür habe. Allerdings hält sich der Ertrag in Grenzen, meist reicht es nur für 1-2 Mahlzeiten. In einer großen Kiste bringt man wahrscheinlich mehr Kartoffeln unter, doch kann ich es mir auch nicht vorstellen, dadurch mehr zu ernten als im Freiland. Wenn Du jedenfalls den Versuch mit Kartoffeln im Topf/in der Kiste startest, probiere es doch einmal mit der Vitelotte aus. Ich konnte bei dieser Sorte aus einer Knolle eine ganz beachtliche Erntemenge erzielen. Außerdem zeigte sich an ihr keine Krautfäule und keine einzige Kartoffel war schrumpelig. Der Geschmack ist einzigartig!
lg kathrin
Eine interessante Übersicht über verschiedene Methoden so eine “Chinesische Kartoffelkiste” zu realisieren, finden sich gerade beim beim Cheap Vegetable Gardener. Dort auch ein Foto der Autoreifen-Kartoffelkiste.
Ich persönlich bleibe übrigens dabei, ich halt dieses Konzept für eine überflüssige Modeerscheinung ;-)
Ich finde diese Kartoffelkisten auch ziemlich spannend, weil ich mir für Kartoffeln keinen Platz nehme – es gibt so viele andere Dinge, die ich lieber anbaue. Also hatte ich letztes Jahr zwei große schwarze Plastikkübel genommen (ca. 300 l groß) und da ich gelesen hatte, dass man die Kartoffeln auch in Stroh/Sägespänen/Sand wachsen lassen kann und dadurch dann auch noch das Schmutz-Abspülen spart, habe ich bis auf eine dünne Schicht Komposterde ganz unten immer fleißig mit Stroh aufgefüllt. Das mochten die Kartoffeln allerdings gar nicht, so dass ich im Herbst nur in der Komposterdeschicht ein paar Cherrytomatengroße Kartöffelchen ernten konnte – im Stroh haben sich keine Knollen gebildet. Eine Freundin von mir hatte im gleichen Jahr auch den Kartoffelanbau in der Tonne ausprobiert und bei ihr war die erste Schicht Komposterde, danach hatte sie mit alter Blumenerde aus dem Baumarkt aufgefüllt. Auch bei ihr zeigten sich die kartoffeligen Vorlieben für Kompost und in der Blumenerde war nichts zu finden.
Jetzt warte ich mit dem Kartoffelanbau lieber bis ich mehr Platz habe… ;)