Kann man Obstbäume aus Kernen ziehen? Vor ein paar Tagen schrieb ich zu diesem Thema in einem Gartenforum sinngemäß: “… Hauptgrund für das Veredeln ist einfach, dass man bei Sämlingen erst nach etlichen Jahren feststellen kann, welche Eigenschaften sie haben …“.
Dazu bekam ich ein Mail von Heinz Kahrs mit einer Anleitung, wie man schon drei oder vier Jahre nach der Ernte der Kerne die ersten Früchte der neuen Sorte probieren kann. Das funktioniert in etwa so: Um die Vegetationsperiode zu verlängern werden die Kerne im frühen Frühjahr auf der Fensterbank ausgetrieben. Im März des folgenden Jahres werden die Sämlinge auf einen frohwüchsigen Apfelbaum gepfropft. Schon im Folgejahr, aber spätestens nach zwei Jahren tragen diese Zeige dann ihre ersten Früchte.
Drei bis vier Jahre – das ist wirklich schnell! Trotzdem würde ich als normaler Hobbygärtner eher auf bekannte Sorten mit bekannten Eigenschaften zurückgreifen. Zum einen hat sicherlich nur eine unter Hunderten von den so geschaffenen neuen Sorten das Potential sich längerfristig durchzusetzen, man müsste diese Prozedur also mit sehr vielen Sämlingen durchführen. Zu anderen kann man anhand der ersten geernteten Früchte nur sehr wenig über die Eigenschaften der neuen Sorten sagen. Das betrifft das Ertragspotential, den Geschmack und die Haltbarkeit, aber aber eben auch andere Eigenschaften wie Krankheitsanfälligkeit oder Boden- und Klimaansprüche.
Normalerweise dauert es länger, bis aus einem kleinen Kern ein Apfelbaum wird, der selbst wieder Fürchte trägt. Unser erster selbst veredelter Apfel trägt in diesem Jahr seine ersten Früchte. Hier eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse.
- Im Frühjahr 2005 (oder im Herbst 2004) wurden im Gärtnerhof Badenstedt, einer Bio-Baumschule in unserer Gegend, Apfelkerne der Sorte Bittenfelder und Birnenkerne der Sorte Kirchensaller Mostbirne aus der Ernte 2004 ausgesät.
- Im Sommer 2005 kauften wir dort einige der Apfel- und Birnensämlinge aus diesen Kernen, um damit eigene Veredlungsversuche zu unternehmen. Wie man sich denken kann waren die Pflanzen damals noch nicht besonders groß.
- Anfang August 2006 waren die Sämlinge schon zu ganz ordentlichen Unterlagen herangewachsen. Als ersten Versuch haben wir dann unter anderem ein Edelauge der Sorte Discovery auf einen der Sämlinge okuliert.
- Mitte März 2007 haben wir die Triebspitze der Unterlage über dem okulierten Auge abgeschnitten, vier Wochen später (Mitte April 2007) war bereits ein deutlicher kleiner Trieb aus dem Edelauge erkennbar. Wenige Tage später hatten sich die ersten Blätter gebildet.
- Im Mai 2007 war der unscheinbare Trieb zu einem respektablen Bäumchen herangewachsen. Es war deutlich zu erkennen, dass er den Wunsch hatte, mal richtig groß zu werden.
- Im Jahr 2008 ließen wir den Baum weitgehend ungestört zu einer Höhe von etwa zwei Metern heran wachsen.
- Im Frühjahr 2009 wurde er dann zurück geschnitten und an seinen endgültigen Standort auf der Pferdeweide umgepflanzt.
- Nach dem Junifall sind zwei Früchte übrig geblieben. Der Baum gedenkt offenbar in diesem Jahr seine ersten Äpfel ausreifen zu lassen.
Von der Ernte der Mutteräpfel für die Unterlagen bis zu den ersten Früchten an den Tochterbäumen verging bei uns also ein Zeitraum von fünf Jahren. Ein paar der Unterlagen haben wir übrigens nicht veredelt, die tragen bisher noch keine Früchte.
Siehe auch:
Hallo Heiner,
zu Deinem interessanten Beitrag habe ich eine Frage und eine Anmerkung; zuerst die Frage: Was ist mittlerweile aus den unveredelten Bäumchen geworden? Haben sie schon getragen? Oder habt Ihr sie gar nicht so weit erwachsen werden lassen? (OK, das sind zwar drei Fragen, aber sie haben nur ein Ziel)
Die Anmerkung: mit Deinen Einschränkungen zur eigenen “Apfelbaumzucht” hast Du zwar vollkommen recht, aber trotzdem sollten es mehr Leute wagen, eine neue Sorte zu kreieren, indem sie Apfelbäume aus Samen ziehen. Gründe dafür sind u. a., man erhöht die genetische Vielfalt und kann auf den glücklichen Zufall hoffen: die eigene Sorte muss ja nicht unbedingt besser als alles bisher Dagewesene sein und sich im Massenanbau durchsetzen; aber sie könnte geschmacklich vielleicht etwas ganz Besonderes sein, auch wenn sie nicht so ertragreich, resistent und gut aussehend ist wie altbekannte Sorten ist.
Ich habe zum Thema “Anzucht aus Samen” in meinem Blog einen umfangreicheren Beitrag verfasst: Der Same ohne Eigenschaften.
Beste Grüße
und weiterhin viel Erfolg und Freude beim Gartenbau und Schreiben
Jürgen