Zur Zeit zeigen etliche Pflanzen im Garten wieder ihre prachtvollen Blütenstände. Als wüssten die Blumen was wir Gärtner von ihnen erwarten, verteilen viele Pflanzen mit mehreren Blüten an einem Blütenstand ihre Pracht auf einen längeren Zeitraum. Die Blüten an jedem Blütenstand beginnen nicht gleichzeitig zu blühen, sondern sie erblühen über einen längeren Zeitraum nach und nach von oben nach unten (basipetal) oder häufiger von unten nach oben (akropetal). Wieso machen die das eigentlich so?
Wie in der Natur üblich hat das wieder einmal mit Sex zu tun. Obwohl es bei Pflanzen gar nicht mal so selten zu Selbstbefruchtung kommt, ist es für das Überleben einer Pflanzenart wesentlich günstiger, wenn Erbgut immer wieder ordentlich durchmischt wird. Im Laufe der Evolution haben sich deshalb ganz unterschiedliche Mechanismen entwickelt, um die Selbstbefruchtung zu erschweren oder sogar ganz zu verhindern.
Der Fingerhut hat zwar eine zwittrige Blüte, aber er versucht Selbstbefruchtung zu vermeiden, indem er die männlichen Staubbeutel vor dem weiblichen Stempel ausreifen lässt. Diesen Mechanismus nennen die Botaniker Dichogamie oder in diesem Fall Proterandrie (Vormännlichkeit).
Da die Hummeln (von denen der Fingerhut vorwiegend befruchtet wird) die Blütenstände von unten nach oben besuchen, treffen sie zunächst auf die schon weiter entwickelten Blüten. In diesen Blüten sind die weiblichen Fruchtblätter voll entwickelt, während die männlichen Pollen schon verteilt sind. In den oberen Blüten, in denen die Hummeln noch Pollen aufnehmen können, sind die Fruchtblätter dagegen noch nicht reif. So wird sichergestellt, dass sich der Fingerhut nicht selbst befruchtet.
Darüber hinaus bildet der Fingerhut am Eingang seiner Blüte kleine Borsten, die verhindern sollen, das schwächere Insekten in die Blüte eindringen. Diese könnten das ausgeklügelte System unterlaufen. Wie das Foto zeigt, scheinen die Borsten aber nicht unbedingt sicher zu funktionieren. Denn da versucht gerade ein Rapsglanzkäfer in die Blüte einzudringen und es sieht nicht so aus als könnten die Sperrhaare das verhindern.
Vormännlichkeit ist in der Pflanzenwelt recht weit verbreitet. Von den Pflanzen in unseren Gärten kommt sie zum Beispiel bei den Lupinen, beim Salbei, bei der Jungfer im Grünen, bei der Akelei oder auch beim Mais vor.
Werbung:
- Strasburger – Lehrbuch der Botanik
- Die geheimnisvolle Sexualität der Pflanzen: Von Blüten und Pollen
- Handbuch Samengärtnerei: Sorten erhalten, Vielfalt vermehren, Gemüse genießen
Weblinks:
Ein sehr schöner Text! Dies zeigt einem eigentlich wieder, wie wenig man eigentlich so über Gartenpflanzen bzw. allgemein über die Pflanzenwelt weiß! Wenn man sich mit der Thematik auseinandersetzt und vor allem mit den eigenen Gartenpflanzen, wird man glaube ich verblüfft sein von den Dingen des Lebens. Schade, dass sich nur wenige für diese Pflanzenwelt interessieren. Doch was würde man nur ohne die Pflanzen und die Tiere machen?!
Ein sehr schöner Blog! Weiter so!